Die Gewöhnung durchbrechen

Impuls Uhr Die kostbare Zeit (c) M. Pietsch
Datum:
Mi. 25. Sept. 2024
Von:
Manfred Pietsch

Liebe Leserin, lieber Leser,  geht es Ihnen auch so? Bei vielen Geschichten aus der Bibel wissen wir schon nach den ersten Sätzen, wie es weitergeht – und hören vielleicht gar nicht mehr so ganz genau hin.

Vom Priester, Dichter und Schriftsteller Lothar Zenetti stammen Texte, die diese Gewöhnung durchbrechen wollen. Zenetti erzählte einige Geschichten der Bibel mit einer leichten literarischen Verfremdung neu, um uns anzuregen, mit Hilfe solch ungewohnter Zugänge das Allzuvertraute in den biblischen Texten neu zu entdecken.

Manfred Pietsch, Kreuzau

Die wunderbare Zeitvermehrung, München 1979 (Lothar Zenetti)

Jesus zog sich zurück. Mit einem Boot fuhr er über den See an einen abgelegenen Ort, um allein zu sein. Die Volksscharen in den Städten hörten davon und folgten ihm zu Fuß nach. Als er die Augen erhob, sah er, wie viele Menschen um ihn versammelt waren und wie viele noch herandrängten. Und er empfand Mitleid mit ihnen und heilte die Kranken.

Als es Abend wurde, traten seine Jünger zu ihm und sprachen: „Herr, die Zeit ist vorgerückt, es ist spät. Entlasse die Menge. Sie haben keine Zeit und wir auch nicht!“

Da wandte sich Jesus an seine Jünger: „Weshalb sollen sie weggehen? Gebt ihnen von eurer Zeit!“ Da sagten sie zu ihm: „Wir haben ja selber keine, und was wir haben, dieses Wenige, wie soll das reichen, um uns um alle und am Ende noch um jeden einzelnen zu kümmern?“ Doch fand es sich, dass einer von ihnen noch fünf Termine frei hatte, zur Not, mehr nicht, dazu zwei Viertelstunden.

Und Jesus lächelte und sagte: „Gut, das ist doch schon etwas! Stellen wir es den Leuten zur Verfügung!“ Und er ließ die Volksscharen erneut Platz nehmen. Er nahm die fünf Termine, die sie hatten, und dazu die beiden Viertelstunden. Er blickte auf zum Himmel und sprach ein Segensgebet. Dann teilte er das Vorhandene auf und ließ austeilen die kostbare Zeit, die sie hatten, durch seine Jünger an die vielen Leute.

Und siehe, es reichte nun das Wenige für alle. Keiner ging leer aus. Ja, sie füllten am Ende noch zwölf Tage mit dem, was übrig war an Zeit. Es wird berichtet, dass die Jünger staunten. Denn alle sahen es: Selbst das Unmögliche wird möglich durch ihn.