Erinnerungskultur: Geschichte einordnen statt abhängen

Erinnerungsort zwischen Verklärung und Debatte

Enthüllung (c) Anja Klingbeil
Datum:
Do. 13. Juni 2024
Von:
Bistum Aachen

Die Pfarrkirche St. Josef in Vossenack entwickelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem wichtigen Gedenkort des „Familienverbandes ehem. Angehöriger der Windhund-Division (116. Panzer-Division) e.V.“. Pfarrer Matthias Hegger (1905-1988) pflegte engen Kontakt zu dessen Mitgliedern. In den 1950er Jahren etablierte sich eine intensive Zusammenarbeit. Im Kirchengebäude fanden Gedenk- und Bittgottesdienste für die 116. Panzerdivision statt.

Um die Jahrtausendwende setzte eine Debatte über die unreflektierte Erinnerung an die „Windhunde“ in der Pfarrkirche und im Hürtgenwald ein. Heute kann St. Josef auch als Ort der Diskussion über angemessene Formen des Gedenkens dienen.

Ein Fenster, drei Tafeln und ihre Geschichte

1961 schuf der Dürener Künstler Hermann Gottfried (1929-2015) ein neues Fenster für die Pfarrkirche St. Josef. Es wurde vom „Familienverband ehem. Angehöriger der Windhund-Division (116. Panzer-Division) e.V.“ gestiftet und mit deren Emblem versehen. Das Fenster zeigt einen Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut füttert. In der biblischen Darstellung verkörpert das Motiv die mit dem Tod Christi verbundene Erlösung der Menschen. Der Familienverband bediente sich dieser Deutung und stilisierte den Einsatz der 116. Panzerdivision unter nationalsozialistischem Oberbefehl zu einer Erlösertat. Auch die bis 2023 unter dem Fenster hängenden drei Gedenktafeln greifen das Erlösungsmotiv auf. Ihr Text legt eine Parallele vom Opfertod Christi zum vermeintlichen Opfertod von Wehrmachtsoldaten nahe.

Das Kirchenfenster und die Gedenktafeln sind Ausdruck ihrer Zeit und heute als museale Objekte zu betrachten.

Sie stehen für einen zwar nicht unumstrittenen, aber doch zeittypischen Umgang mit der Rolle der Wehrmacht und der eigenen Vergangenheit. Allzu häufig fanden die im nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieg verübten Verbrechen in der Erinnerung der Miterlebenden keinen Platz. Auch die auf den Tafeln enthaltene Mahnung zum Frieden lud das Kriegsgeschehen verfälschend nachträglich mit Sinn auf.

Im Zuge der jüngsten Neugestaltung der Kirche haben die Gedenktafeln nun ihren neuen Platz gefunden mit historischer Einordnung außerhalb des liturgischen Raums im Eingangsbereich.

Qu.: Kommunikationsabt. Bistum Aachen; Foto (Bistum Aachen / Anja Klingbeil:) Dr. Anna Wellding (v.l., Bistum Aachen), Uli Hallmanns (Kirchenvorstand), Keywan Klaus (Münster, LVR), Dr. Helmut Rönz (LVR) und Pfr. Josef Wolff.